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Die Befreiung von Vlotho: Anno 1813

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Hart war der Winter des Jahres 1812/13. Die Bürger Vlothos hockten in ihren Stuben. Sie beschäftigten sich so gut sie konnten, und während die Spindeln schnurrten, besprach man auch die Neuigkeiten, die hier und dort spärlich durchgesickert waren. Die Kunde von der Vernichtung der gewaltigen Armee Napoleons auf den weiten, verschneiten Gefilden Russlands war auch bis in die hiesige Gegend vorgedrungen. 18,000 Westfalen und Hessen hatten diesen gewaltigen Zug nach Russland mitmachen müssen. Die Angehörigen waren sehr bedrückt, als sie von den Leiden ihrer Söhne und Brüder erfuhren; erregt waren sie, als sie hörten, dass Napoleon die Armee einfach ihrem Schicksal überlassen habe und nach Paris geeilt sei.

Allmählich kam der Frühling. An einem Abend im Mai standen vor dem Vlothoer Posthause einige Männer und warteten auf den Postwagen, in der Hoffnung, vielleicht gute Nachrichten zu bekommen. Da kam eilenden Schrittes der Schiffer Güse. Er ging auf die Männer zu und sprach mit gedämpfter Stimme: „Kinder, wisst ihr das Neueste? In Preußen bilden sich jetzt schon überall freiwillige Jägerbataillone. Auch hat der König von Preußen einen Aufruf an das Volk erlassen. Vor einer halben Stunde kam ein fremder Handwerksgeselle zu mir. Er brachte Grüße von Freunden aus dem Braunschwei-gischen und sagte, er habe den Auftrag, uns das zu berichten. Kommt nachher, wenn es ganz dunkel geworden ist, in mein Haus. Sagt es auch den anderen unserer Gilde. Aber seid vorsichtig, damit kein Unberufener etwas erfährt.” Damit entfernte er sich wieder.

Die Läden vor den Fenstern des Güse’schen Hauses unter dem Oelbrink waren fest verschlossen. Vor der Haustür stand der älteste Sohn des Schiffers und hielt Wache, damit kein Späher oder unerwünschter Lauscher sich anschleichen konnte. Das kleine Öllämpchen erhellte schwach den Raum, in welchem sich die Männer versammelt hatten, um stumm, wie bei einem Gottesdienste, den Worten des fremden Gesellen zu lauschen. Wie er den Aufruf verlas und an die Stelle kam, die da lautet: „Es ist der letzte entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Unabhängigkeit, unseren Wohlstand; keinen anderen Ausweg gibt es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet ihr getrost entgegen gehen, weil ehrlos der Preuße und Deutsche nicht zu leben vermag. Allein wir dürfen mit Zuversicht vertrauen, Gott und unser fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen, mit ihm einen sicheren, glorreichen Frieden und die Wiederkehr einer glücklichen Zeit.” Da hatten sich die Versammelten von ihren Sitzplätzen erhoben. Ein Amen, von fast allen Männern im Raum gesprochen, erklang, als wäre es ein Gebet gewesen, was soeben gesprochen war. Der harmlose Papiermachergeselle gab sich als Sendbote zu erkennen, der den Auftrag hatte, in den zwangsweise von Preußen getrennten Gebieten die Bürger zu ermuntern und sie zur Wachsamkeit zu ermahnen, damit auch sie sich in aller Stille rüsten sollten für den kommenden Kampf. Die Bürger gingen vorsichtig, um nicht bemerkt zu werden, nach Hause. Der Fremde aber zog am anderen Morgen weiter, um seinen Auftrag zu erfüllen. Die vernommene Kunde aber ging in Vlotho nun wie ein Lauffeuer von Mund zu Mund. Siegesbot-schaften trafen ein… Die Begeisterung der Bevölkerung war kaum noch zu verbergen. Indes die französischen Douanen wurden merklich unruhig und zogen sich nach Minden zurück. Sie kamen nur noch auf ihren Patrouillengängen für kurze Zeit nach hier. Nur in Rehme und Dehme blieben kleine Abteilungen als Vorposten liegen.

Endlich am 7. November des Jahres 1813 rückte in der Abenddämmerung ein Detachement Lützowscher Jäger ein. Unbeschreiblich war der Jubel der Bürger, wieder Preußen zu sehen. Er artete fast in Tumult aus. Der Oberjäger Natarek und seine Soldaten wurden im Posthause festlich bewirtet und reich beschenkt. Die Bewohner hatten für kurze Zeit das drohende Unwetter des Krieges vergessen, aber die Soldaten waren sich ihrer Aufgabe bewußt.

Nachdem sie die königlich-westfälische Kasse ausgehoben hatten, zogen sie, begleitet von einigen Männern, weiter nach Neusalzwerk, also dem heutigen [Bad] Oeynhausen. Hier ließen sie sich die Salinenkasse aushändigen, machten in der Gegend zwischen Rehme und Dehme von den dort liegenden Franzosen fünf Mann zu Gefangenen und kehrten am anderen Morgen, dem 8. November, wieder nach Vlotho zurück. Hier wurde ihnen ein gutes Frühstück geboten. Nachdem der Oberjäger hier noch ein Stück schwarzes Tuch — wohl zur Verwendung von Uniformen — requiriert hatte, zogen die Soldaten über die Weser weiter in Richtung Hausberge, um auch hier ihr Glück zu versuchen, jedoch nicht eher, bis sie dem hiesigen Maire Ernst Andreas Martzilger befohlen hatten, sofort die unter Wasser liegenden Schiffe wie auch die versenkte Fähre heben zu lassen, sonst würde er die Nichtbefolgung des Befehls mit seinem Kopfe bezahlen müssen.

Der Bürgermeister Martzilger war von den Franzosen gezwungen worden, alle Schiffe, die in Vlotho vor Anker lagen, mit samt dem Fährschiff versenken zu lassen. Bei Nichtbefolgung würde man ihm den Kopf nehmen. So berichtet der Cantonssekretär Willmanns. In seinem Bericht heißt es außerdem: „Das größte Unglück stand jetzt der Stadt und der ganzen Gegend bevor, weil in Minden noch 5000 Mann Douanen lagen, die des angestellten Jubels und der Gefangennahme ihrer Kameraden wegen leicht Rache suchen und eine Zerstörung vornehmen konnten. Von den Douanen war dem Maire des hiesigen Cantons bei dem Verluste seines Kopfes anbefohlen worden, kein Schiff oder die Fähre auf der Weser zu dulden oder zu halten. Bei der Ankunft und dem Abzuge der Jäger machten ihm diese zur Pflicht, die Überfahrt über die Weser bei dem Verluste seines Kopfes nicht nur sofort herzustellen, sondern auch sämtliche versenkten Schiffe sogleich über das Wasser bringen zu lassen. Der Maire befand sich daher in einer nicht geringen Verlegenheit, weil es immer sein Leben galt, mochte er tun, was er wollte. Nach dem Abzug der Jäger, wo die Stadt sich nun ganz selbst, ohne Verteidigung und Schutz überlassen war und ein jeder zur ruhigen Überlegung hätte veranlaßt werden sollen, um überall das Beste zu wirken, hatte sich der Taumel bei einigen Bürgern noch nicht verloren. Es versammelte sich des morgens gegen 10 Uhr eine Menge der jungen Bürger, bewaffnete sich mit Degen und Säbel und forderte die übrigen unter dem Sturmgeläut der Glocken auf, ihr nach der lutherischen Kirche zu folgen. Es mußte geschehen …”

Hier wurde nun ein Dank- und Bittgottesdienst gehalten. Man sang das Lied: „Eine feste Burg ist unser Gott … — Und wenn die Welt voll Teufel wär, es muß uns doch gelingen!” Dann formierte sich ein gewaltiger Zug. Unter dem Jubel der Bevölkerung holte man den alten preußischen Adler, der früher im Rathause hing und vor den Franzosen verborgen gehalten war, unversehrt wieder hervor. Der Schlachtergeselle Krimmelberg trug ihn in feierlicher Prozession stolz durch die Straßen der Stadt, um ihn dann in der Kirche oberhalb der Empore aufzuhängen. Hier hat er ja noch heute seinen Platz. Nach dem Umzuge ging alles friedlich und still wieder nach Hause, wo ein jeder sich ruhig verhielt.

Die Franzosen aber kamen nicht nach Vlotho, sondern die Wachen bei Rehme und Dehme wurden eingezogen, und die 5000 Mann hatten Minden rasch verlassen, weil am gleichen Tage, dem 8. November, die ersten Kosaken in Bielefeld einrückten.

Heinrich Lohmeyer

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